Mehr Güter auf die Schiene: Das geht auch in der Fläche, abseits der Ballungszentren. Den Beweis dafür möchten die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (evb) 2024 verstärkt antreten – mit individuellen Lösungen vom Einzelwagenverkehr bis zum Ganzzug und flexiblen Angeboten im Kombinierten Verkehr (KV). Wie groß das Interesse am Thema ist, bewies ein evb-Symposium zum Thema in Zeven.

Foto: Christoph Grimm

Im Rathaussaal der Samtgemeinde Zeven hatte die evb erstmals zu einem neu entwickelten Veranstaltungsformat eingeladen, das Information und Vernetzung verbindet. Neben der Samtgemeinde Zeven beteiligten sich unter anderem die Industrie- und Handelskammer Elbe-Weser, regionale Wirtschaftsförderer aus dem Norden sowie der Landkreis Rotenburg/Wümme und weitere Landkreise und Kommunen unterstützend.

Rund 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft und Politik bestätigten durch ihren Besuch, dass die evb mit diesem Anschluss einen Nerv getroffen hat. Wichtige Botschaften der Veranstaltung: Der Übergang von der Straße auf die Schiene und zurück ist oft weitaus leichter, die Vielfalt an Optionen wesentlich höher als gedacht – und das Interesse an Kooperationen mit dem Schienengüterverkehr ist nicht nur im produzierenden Gewerbe, sondern auch bei Lkw-Speditionen groß.

„Resonanz weit über Erwartungen“

„Aus dem Symposium sind zahlreiche konkrete Anfragen für neue Verkehre aus den unterschiedlichsten Branchen entstanden – von der Agrarwirtschaft über Lebensmittelbetriebe bis hin zum Baugewerbe“, freut sich Ingo Heine, seit Sommer 2023 für die evb auf einer eigens neu geschaffenen Position für den Vertrieb der unternehmenseigenen Schienen-Infrastruktur zuständig. „Die Resonanz unserer Auftakt-Veranstaltung hat unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen. Die eingegangenen Anfragen entwickeln wir mit den zugehörigen Unternehmen nun weiter, um daraus möglichst viele konkrete Projekte entstehen zu lassen. Wir bündeln diese nach Güterarten, um möglichst wirtschaftlich zum reinen Straßentransport anbieten zu können.“ Weitere Symposien sollen folgen.

Dass die evb durch ihr 235 Kilometer umfassendes unternehmenseigenes Gleisnetz, die zur evb-Gruppe gehörige Logistiksparte samt Containerspedition Necoss sowie den außergewöhnlich hohen Grad vertikaler Integration in einer bundesweit nahezu einzigartigen Position ist, um dem Thema Schienengüterverkehr in der Fläche“ neue Impulse zu geben, hatten Landrat Marco Prietz (Rotenburg/Wümme) in seiner Funktion als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der evb und evb-Geschäftsführer Christoph Grimm in ihren Einführungsvorträgen deutlich gemacht.

Flexibilität durch vertikale Integration

„Wir haben in etwa das gleiche Portfolio wie die Deutsche Bahn, sind derzeit noch etwas kleiner“, so Grimm augenzwinkernd. Als „Komplettdienstleister“ verfüge die evb über die gesamte Prozesskette. Das wiederum ermögliche schnelle Reaktionen auf individuelle Anfragen. „Die evb ist ein sehr einzigartiges Unternehmen“, bestätigte Marco Prietz, und ein effizienter Gütertransport mit „klugen Kombinationen von Straße, Schiene und Schiffsverkehr“ sei für die wirtschaftliche Entwicklung der Region von hoher Relevanz. Entsprechend stehe der Landkreis Rotenburg „voll zu den Bestrebungen der evb, den Schienengüterverkehr weiter auszubauen.“

Ein wesentliches Ziel der Veranstalter war es, den Blick auf „Win-Win-Situationen“ zu richten, von denen Schiene, Straße und die gesamte Region profitieren. Andreas Meyer, Inhaber der EM Spedition Meyer in Bremervörde, unterstützte diese Sicht durch seine Bereitschaft, als Sprecher auf dem Podium der Veranstaltung mitzuwirken – eine Unterstützung, zu der es keiner großen Überredung bedurfte, so Meyer: „Ich habe als Lkw-Spediteur mit aktuell 50 Lkw überhaupt kein Interesse daran, mit einer homogenen Ladung von 33 Paletten nach München zu fahren“, erläuterte der Speditions-Experte: „Viel lieber würde ich meinen Sattelauflieger mit drei oder vier Teilladungen für den süddeutschen Raum auf den Zug stellen und einen Partnerspediteur in München bitten, den Auflieger beim Terminal abzuholen und die Ladung zu verteilen.“

Lkw-Spediteur plädiert für mehr Schienengüterverkehr

Dabei gehe es nicht nur um den „riesigen CO2-Effekt“, so Meyer: „83 Prozent Mautsteigerungen, Fachkräftemangel – das trifft uns im Speditionsgewerbe hart. Ich glaube tatsächlich: In 20 oder 30 Jahren werde ich keine 50 Lkw im Fernverkehr mehr betreiben. Dann sind es vielleicht noch 20, und der Rest wird sich auf die so genannte ‚Letzte Meile‘ fokussieren. Die Netzbildungsfähigkeit des Lkw und die Massenleistungsfähigkeit der Bahn: Das müssen wir intelligent vernetzen.“

Als praktische Möglichkeit für eine derartige Vernetzung brachte Meyer den Gleisanschluss seines Unternehmensgeländes in Bremervörde mit großer Ladefläche ins Spiel – ein möglicher Anlaufplatz für Kombinationsverkehre aus Lkw und Bahn, auch für Dritte.

In ihrem Vortrag stellten die evb-Mitarbeiter Ingo Heine und Oliver Heckmann (Leiter Vertrieb der evb Logistik) drei zentrale Möglichkeiten für Unternehmen vor, um die Schiene als Transportweg zu nutzen:

  • Wiederbelebung des Einzelwagenverkehrs
  • Zubringerverkehre zu Hub-Terminals im Norden im Kombinierten Verkehr
  • Individuelle Ganzzuglösungen

Die evb steht dabei nicht nur als Transporteur, sondern als zentraler Ansprechpartner rund um den Schienengüterverkehr zur Verfügung: „Wir vernetzen die verschiedenen Akteure, vermitteln zwischen Anschließern, Verladern und EVUs und unterstützen Unternehmen bei der Erstellung von Förderanträgen ebenso gern wie bei der Reaktivierung oder Neuerstellung von Gleisanschlüssen“, so Heine und Heckmann.

Vom Einzelwagenverkehr bis zur Ganzzuglösung

Bereits heute fahren diverse Unternehmen sowie die Bundeswehr Ganzzugtransporte auf der evb-Infrastruktur und nutzen dabei Umschlagbahnhöfe wie Bremervörde, Hesedorf, Zeven Nord, Heidenau und Godenstedt. Typische Ladegüter sind beispielsweise Baustoffe, Dünger, Holz und Militärgut.

Doch, so Heine und Heckmann: „Es muss nicht bei den klassischen Transportgütern bleiben! Kreative Waggonbauarten, multimodale Transportbehältnisse und flexible Planungs-Optionen sorgen für nahezu grenzenlose Möglichkeiten auf der Schiene.“

Im Einzelwagenbereich strebt die evb eine Mitgliedschaft im Einzelwagennetzwerk der DB Cargo an. Über öffentliche Ladestraßen oder private Gleisanschlüsse können so auch kleinere Mengen problemlos über die Schiene transportiert werden – ob es nun um regelmäßige Verladungen oder saisonale Verkehre geht.

Leichter Zugang zu zentralen Drehscheiben des Kombinierten Verkehrs

Da das Elbe-Weser-Dreieck schienenseitig sehr gut mit Drehscheiben des Kombinierten Verkehrs wie dem Mega-Hub Lehrte oder Hamburg-Billwerder verbunden ist, ist der Aufbau regelmäßiger und planbarer Transportketten kein Problem – vom Lkw über zentrale Verladeplätze auf die Schiene, und von dort entweder zurück auf die Straße oder weiter aufs Schiff.

Dass der Neu- und Ausbau nichtbundeseigener Umschlaganlagen des Kombinierten Verkehrs mit bis zu 80 Prozent Bundesmitteln gefördert wird, erschließt weitere reizvolle Perspektiven. „Sprechen Sie uns an“, machten Heckmann und Heine den anwesenden Unternehmern Mut: Wir von der evb sind Ihr Projektpartner bei der Entwicklung neuer Ideen!“

Was schon heute möglich ist, zeigte das evb-Team mithilfe diverser „Best Practice“-Beispiele – vom wirtschaftlich erfolgreichen Container-Kurzstreckenverkehr zwischen Hamburg und Soltau über den Containerumschlag samt Einzelwagenmitnahme in Adelebsen bei Göttingen bis hin zur Reaktivierung einer Ladestraße am „anderen Ende“ der Transportkette in Osberghausen (Bergisches Land) für den Holztransport.

„So schnell kann Schiene sein“

Matthias Herten, Geschäftsführer der Infrastrukturgesellschaft SinON, erweiterte diese Perspektive durch zusätzliche Praxisbeispiele. Zu 100 Prozent im Besitz des Landes Niedersachsen, hat die SinON zum 01.01.2022 die komplette Infrastruktur der Osthannoverschen Eisenbahnen AG (OHE) übernommen und sorgt mit derzeit rund 50 Beschäftigten u.a. für Verkehr auf dieser Infrastruktur.

Wie die evb sieht auch die SinON die Sammlung von Verkehren für die Einzelwagenverladung an zentralen Umschlagplätzen als sinnvolle Option an und hat für das eigene Schienennetz in der Heideregion ein Konzept zur Einrichtung multimodaler Umschlagplätze erstellt.

Wie schnell und flexibel das System Schiene reagieren kann, zeigte Herten an mehreren Beispielen: Als etwa im Februar 2022 in kurzer Folge die Sturmtiefs Ylenia, Zeynep und Antonia wüteten und enorme Mengen umgestürzter Bäume abzutransportieren waren, konnte SinON kurzfristig neue Verkehrsmöglichkeiten schaffen. „Von der Kundenanfrage zur Reaktivierung bis zur Inbetriebnahme der reaktivierten Ladestraße Melbeck-Embsen dauerte es nur drei Monate“, so Herten. Auch in Altenhagen und Lachendorf bei Celle konnte die SinON Umschlagflächen reaktivieren bzw. neu erschließen.

Reaktivierung: Keine Konkurrenz zwischen SPNV und SGV

Im Anschluss an die Vorträge gab es jeweils die Möglichkeit zu Diskussionen und Fragen. Dabei richtete sich der Blick auch auf den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und die Bemühungen zur Reaktivierung zusätzlicher Strecken. Neben der zur Reaktivierung vorgezogenen evb-Strecke Bremervörde – Stade, die kürzlich mit enormer Publikumsresonanz ihr 125. Jubiläum feierte, sind mit Zeven – Tostedt sowie Rotenburg – Bremervörde gleich zwei weitere Strecken im Besitz der evb in die nächste Stufe des niedersächsischen Reaktivierungsverfahren vorgerückt.

Könnte es im Falle eines Personenverkehrs im Taktbetrieb zu Kapazitätsproblemen für den Schienengüterverkehr (SGV) kommen, so eine Frage aus dem Publikum? „Diese Gefahr besteht nicht“, so Christoph Grimm, der auch potenzielle Sorgen von Streckenanwohnern entkräften konnte: „Wir reden hier ja über keine zweite Rheintal-Achse“, erklärte er in Anspielung auf eine der wichtigsten deutschen Gütertrassen. Bei den in Zeven diskutierten neuen Perspektiven gehe es um Größenordnungen von etwa „einem Zug am Tag ­– wo es Sinn macht, vielleicht auch etwas mehr. Wir wollen keine Skandinavienverkehre über die evb abwickeln – wir wollen für SIE da sein und den regionalen Nutzen mit Ihnen mehren.“

15.02.2024

, Ihre EVB